Wer neu baut der beschäftigt sich zwangsläufig mit dem Thema Heimautomatisierung und je nach persönlichem Typ und vorhandenem Budget nimmt die Ausprägung dann seine Gestalt an. Schon lange habe ich recherchiert was mein smarter Weg sein könnte. Dazu muss man wissen ich bin Informationstechniker, kann also tollen Features viel abgewinnen und bin also anfällig für tolle, neue Produkte die viel versprechen. Demnach kam für mich am Anfang das gute alte KNX nicht in Frage. Dieses steht nähmlich nicht gerade für aufregende Funktionen, denn das „sexy“ Verkaufsargument bei KNX ist immer: „Da bekommst du noch in 20 Jahren Ersatzteile dafür“. Das sind so die Argumente die mein Feature-suchendes Herz ganz schnell auf einen Ruhepuls von unter 60 fallen lassen. Also habe ich mir jede Menge anderes, marketingträchtiges, hippes Zeug angeschaut. Dabei habe ich interessante Produkte gefunden die ich teils vertestet habe und mir so eine Meinung bilden kann und teils nur interessant finde und keine Erfahrungen gesammelt habe, allerdings auf Feedback dazu gespannt bin. In diesem Artikel möchte ich euch meine Erfahrungen und Entdeckungen zum Thema Smart Home zeigen und vor allem meine überraschende Entscheidung bei der grundlegenden Heimautomatisierung mitteilen und begründen.
Was ist mein Automatisierungs-Szenario?
Da hatte ich immer konkrete Vorstellungen:
- Automatische Jalousiensteuerung zum Wärmeschutz
- Abbildung von Lichtszenen
- Bewegungsmelder
- Türzutritt mittels Fingerprint & digitalen Schlüsseln (Fobs)
- Zentrale Musiksteuerung und Multiroom-Wiedergabe
KNX, Hue, Fibaro oder Loxxone?
Philips Hue, mein eigentlicher Favorit
= Abbildung von smartem Licht
Featuregetrieben wie ich bin habe ich mich zuerst mit Hue und zigbee beschäftigt. Dazu habe ich mir die Hue Bridge bestellt und dazu diverse Lampen, Fernbedienungen und Light Stripes. Fakt ist: Wer smartes Licht will und bereit ist für ein Leuchtmittel zwischen 20 und 50 Euro zu zahlen ist damit definitiv gut unterwegs. Ihr erhaltet dann tolle LEDs die farbig schaltbar sind, dazu eine App mit der ihr die Leuchten gut steuern könnt und nicht zu vergessen die Möglichkeit mit Alexa oder Apple Homekit die Geräte anzusteuen. In der App hat man dann auch jede Menge Funktionen und einfache Programmier-Möglichkeiten. Dazu gibt es noch tolle Szenerien bei denen ihr die Lampen einer bestimmten Gruppe auch dynamisch leuchten lassen könnt, also so Richtung Disko oder eben auch glitzernde Lichter für die weichnachtliche Stimmung.
Wichtig bei Hue ist die Reichweiten zu beachten da ansonsten teils Schwierigkeiten beim Ansteuern der Komponenten existieren. Sind also euer Gateway (die Bridge) und eure Endgeräte zu weit auseinander besteht kein Funkempfang und ihr könnt nicht die Lampen nicht steuern. Und in einem Haus kann die Empfangsqualität bereits im übernächsten Raum zu schlecht sein. Verbaut ihr allerdings an mehreren Stellen im Gebäude zigbee-Komponenten (Hue funkt über den Zigbee-Standard) dann kommt die Mesh-Funktion zum Tragen bei der jedes Geräte selbst einen Repeater darstellt und das Funksignal zum nächsten Gerät weiterreicht. Und das ganze passiert so lange bis es das Zielgerät erreicht hat. Durch diese Funktion kann man wirklich einfach ein Netz aufspannen. Ganz klarer Vorteil also für Zigbee: die Erweiterbarkeit. Man steckt ein neues Leuchtmittel in die Steckdose oder in eine Lampenfassung und Reichweite vorrausgesetzt ist die Komponente nach einer Registrierung am Gateway ansteuerbar.
Doch wie läuft Hue im Betrieb? An der Stelle habe ich das erste mal den Glauben an Hue als eine zentrale Komponente für eine ernsthafte Hausautomatisierung verloren. Es fehlt an Mitteln für eine vollständige Heim-Integration:
Fehler 1: Zusammenschaltung mehrerer Bewegungssensoren zu einer Gruppe: Nicht möglich. Ist seitens Philips noch nicht implementiert. Es gibt dazu Workarounds, aber will man das?
Fehler 2: Die Zuverlässigkeit der Bewegungssensor ist ganz gut: Will damit sagen das Licht schaltet meistens an wenn man am Sensor vorbei läuft, aber eben nicht immer. Für eine dauerhafte Wohnsituation untragbar.
Fehler 3: Das Schalterproblem: Hue Leuchtmittel benötigen immer Strom damit man Sie über all die tollen Wege (Alexa, Handy, Hue-Fernbedienung, Hue-Bewegunsmelder…) ansteuern kann. Das bedeutet wenn ihr eine Leuchte habt die mit einem klassischen Schalter ausgeschaltet wurde, dann nehmt ihr euch nach dem Ausschalten damit auch die Funktion diese Lampe über die tollen digitalen Wege anzusteuern. Das bedeutet also der klassische Lichtschalter ist der Feind des Systems. Wie also bekommen wir diesen im Neubau eliminiert. Na klar: Wir setzen auf Systemeigene Schalter. Zum Glück gibt es inzwischen akzeptable Hue-Schalter. Die Schalter bieten dann allerdings auch nur die Möglichkeit das Licht zu steuern.
Fehler 4: Die Gateway-Probleme: Was passiert eigentlich wenn mir mein Gateway flöten geht? Richtig, ich bin am … Denn dann darf ich es mal das Gateway reklamieren und wenn ich das dann zurückhabe dann darf ich meine ganze Anlage neu konfigurieren. Eine Möglichkeit für Backups der Konfiguration existiert nähmlich nicht :/ Dazu kommen noch die Limitationen der Gateways bei denen man nur etwa 50 Leuchten anschließen kann. Für Neubauten also kein wirkliches Szenario.
Mit Hue werden also viele Funktionen angeboten – alles das was aber nicht vom Hersteller kommt könnt ihr auch nicht nutzen da es keine Möglichkeit gibt wirkliche Skripte zu programmieren.
Fibaro, Sexy Plastik-Smart-Home
= Jalousie, Rauchmelder, Lichtsteuerung, Musik … vollumfängliche Smart Home Optionen
Fibaro habe ich nach meinen ersten Rückschlägen mit Hue gefunden und hatte damit die Hoffnung Hue wieder zum Leben erwecken zu können. Fibaro stellt mit dem Home Center 2 ein Gateway auf Z-Wave-Basis zur Verfügung. Für über 400 Euro ist man dabei und ist danach in der Lage mit der Skriptsprache Lua Automatisierungen zu programmieren. Der Einstieg fällt zumindest Informatikern recht leicht, die Community-Dokumentation hilft dabei sehr.
Der eigentliche Vorteil sind die verfügbaren Schnittstellen. So kann man aus den Lua-Skripten heraus z.B. Hue-Komponenten oder Sonos-Lautsprecher ansteuern. Nicht zu verachten ist auch die Fibaro-eigene Produktpalette. Und dort hatte ich die Hoffnung mit einer Kombination aus Hue und Fibaro eine vollumfängliche Lösung zu finden die über einen Spielzeugcharakter hinaus geht. Mit der Walli-Reihe wurden nähmlich erstmals Schalter angekündigt, die eine professionelle Anmutung hatten und darüber hinaus mit Lua-Skripten gut programmierbar sein sollten. Wir erinnern uns, Hue-Geräte benötigen immer Strom damit sie ansteuerbar sind. Mit einem smarten Schalter davor also kein Problem? Die Erwartungen waren hoch, der Fall so tief, dass mir klar wurde bei Fibaro auch nicht fündig zu werden. Doch warum?
Mit ein Hauptgrund: Die Schalter sind schlecht verarbeitet und das billigste Plastik wurde verwendet. Wir sind also mal wieder in der China-Spielzeug-Kategorie. Darüber hinaus waren jedoch mehrere konzeptionelle Probleme vorhanden die mir schweren Herzens „halfen“ sich gegen Walli und damit auch meinen letzten Hoffnungsanker für Hue zu entscheiden.
Bei meinem Testschalter war es teils schwierig im verbauten Zustand den unteren Teil der Schalterwippe auszulösen. Im unverbauten Zustand ging es. So wie es aussah war der Schalter in sich nicht starr genug, so dass er bei Montage verzogen wurde und dann nicht mehr richtig schalten konnte.
Doch der Killer war dann doch die mangelnde Programmierbarkeit. Schaltet man nähmlich mit dem Fibaro Walli das Licht aus dann geht, oh Wunder, das Licht aus. Heißt allerdings, wenn man als Leuchtmittel dahinter Hue-Lampen verwendet, dass diese wieder vom Strom getrennte wurden und damit nicht mehr smart ansteuerbar sind. Was bei Ausschalten des Schalter passiert ist leider auch nicht programmierbar. Es hätte ja geholfen, wenn man hätte sagen können: Bei ausschalten sind die Hue-Leuchtmittel mit den IDs 1, 2, 3, … auf 0 % Leuchtkraft zu stellen. Aber nein, auch hier ist es wieder nur möglich den Strom komplett abzudrehen und damit ist es nicht mehr möglich mit den Hue-Geräten zu kommunizieren. Der Schalter ging enttäuschend zurück an den Lieferanten.
Loxxone
= komplette Smart Home Palette
Nach Fibaro war ich dann bei Loxxone gelandet. Hier ist das Marketing auch groß unterwegs und man wirbt mit innovativen Aussagen. Es gibt sehr schicke und hochwertige Schalter und smarte Konzepte. Ich habe Loxxone auch im Einsatz gesehen und war positiv angetan. Ich muss sagen: Loxxone erscheint mir immer noch attraktiv, aber: Das Netzwerk an Elektrikern, die hiervon Ahnung haben ist viel viel viel zu klein. Mein nächster Elektriker mit Loxxone-Erfahrung wäre ca. 200 km weit entfernt. Das ist definitiv ein Problem, spätestens im Support-Fall. Bei Loxxone gilt halt immer: Wenn der Hersteller pleite geht dann bekommt man keine Ersatzteile mehr. Damit hätte ich noch leben können aber wenn man schon niemanden findet der es einem verbaut … Wer einen Partner des Herstellers in der Nähe hat sollte die Option allerdings durchaus prüfen.
KNX, der Smart Home Veteran
= komplette Smart Home Optionen
Wie bereits geschrieben, KNX war für mich am Anfang raus. Weder die Konfiguration noch die Installation sind gerade Smart. Zur Konfiguration benötigt man mit ETS eine 1000 Euro teure Software die dazu nicht unbedingt mit Intuivität für Jedermann werben kann. Zusätzlich gilt KNX als teuer und was mir vor allem missfallen hat war die fehlende Flexibilität, d.h. die Notwendigkeit im voraus entscheiden zu müssen welche Komponenten ich gern smart ansteuern können möchte.
KNX ist nicht zumindest in meinen Augen nicht sexy, aber … es deckt alle Anwendungsfälle im Smart Home ab und die verfügbaren Komponenten funktionieren, sind hochwertige Geräte und eben keine Spielzeuge.
Fazit
Für mich hat sich eine Kern-Erfahrung herauskristallisiert. Innovation und Stabilität stehen im Konflikt miteinander. Oder anders gesagt: Mehr Features sorgen für mehr Instabilität oder Mängeln in der Qualität. KNX ist für mich absolut nicht innovativ bietet aber eine hohe Ausfallsicherheit und hohe Zuverlässigkeit. Hue dagegen bietet tolle Möglichkeiten Licht vom Handy oder Alexa aus zu steuern, bietet dafür aber keine Datensicherung bzw. keine Schalter die ich in einem Neubau als Standard verwenden würde.
KNX wird bei mir also das eigentlich Smart Home abbilden. Das Haupt-Licht im Haus muss einfach immer funktionieren, hier kann ich schlecht für 1-2 Wochen wegen einer kaputten SD-Karte auf Lichtschalter verzichten. Und wenn ich schon einmal bei KNX bin dann ist der Weg zu Temperatursteuerung, Rollläden und Fingerprint-Zugang nicht mehr so weit. Möchte ich dann Erweiterungen in Form von neuen Lampen, Türöffnern, usw. vornehmen dann werden dies nicht die wichtigsten Funktionen sein und ich bin dazu bereit auf ein innovatives und dafür nicht so stabiles System zu wechseln.
Der Mehrpreis bei mir im Haus zwischen konventioneller Elektrotechnik hin zu KNX sind übrigens etwa 10.000 Euro.
Im Folgenden habe ich euch noch mal die Vor- und Nachteile der einzelnen Smart Home Anbieter zusammengefasst.
Hue
+ Sehr flexibel erweiterbar
+ Integration Apple Home Kit und Alexa sehr einfach
– Das Schalterproblem
– Kein Backup möglich
– mangelnde Programmierbarkeit
Fibaro
+ Tolle Produktpalette
+ Gute App, gut Programmierbar
+ Sehr gutes Gateway
– Das Schalterproblem
– Billige Plastikprodukte
Loxxone
+ Hoher Automatisierungsgrad
+ Hochwertige Schalter
– Elektriker-Netzwerk
KNX
+ Zuverlässigkeit
+ Etablierter Standard
+ Ausgereifte Produkte
– Hohe Kosten
– Recht unflexibel
– Kaum Innovation
Hi,
Danke dir für den sehr hilfreichen Bericht. Nur verstehe ich das Schalterproblem nicht, das du bei Fibaro und Hue erwähnst. Es gibt doch Zigbee Schalter von namhaften Herstellern, die top Aussehen und sich problemlos in Hue einbinden lassen? Gleiches gilt doch sicherlich auch für alle Z-Wave Schalter, die sich in Fibaro einbinden lassen?
VG
Tobi